Der Zug der Schafe
Jeden Sommer ziehen Tausende Schafe vom Vinschgau ins Ötztal
Eine wohl Jahrtausende alte Tradition hat geschafft, von der UNESCO als immaterielles Kulturerbe anerkannt zu werden: Der alljährliche Zug Tausender Schafe über Tascheljöchl, Nieder- und Hochjoch, vom Vinschgauer Sonnenberg und aus dem Schnalstal hinüber zu den noch heute Schnalser Bauern gehörenden Almgründen im Rofen- und Niedertal oberhalb von Vent. Die älteste Urkunde stammt aus dem Jahre 1415, in der bereits die heute noch gültigen Grenzen der Alminteressentschaft festgelegt wurden.
Mitte Juni, sobald die Almen jenseits des Alpenhauptkamms schneefrei sind, starten im Vinschgau ein Teil der Schafe. Ein „langer Marsch“, bei dem etwa 44 Kilometer, 3.200 Höhenmeter im Aufstieg und 1.800 Höhenmeter im Abstieg zurückzulegen sind, beginnt. An den Sammelplätzen in Kurzras und Vernagt stoßen weitere Schafe zu den Herden. Am nächsten Morgen geht es an die Überquerung des Ötztaler Hauptkamms. Mühsam sind Schneefelder und sowohl am Hochjoch als auch am Niederjoch zum Schluss steile Fels- und Eisrinnen zu überwinden. Die beiden Täler sind zwar recht flach, aber Schneefall, Nebel und Sturm können den Abstieg erschweren. Nicht selten kamen bei Schlechtwetter nicht nur Schafe, sondern auch Hirten zu Schaden.
Mitte September setzt sich der archaische Zug der Schafe wieder in umgekehrter Richtung in Bewegung, aber zumeist bei besseren Weg- und Wetterverhältnissen. Im Tal werden die Tiere von ihren Besitzern in Empfang genommen und in der „Schofschoad“ anhand ihrer farbigen Markierungen getrennt, um weiter auf ihre Weiden im Schnalstal oder am Vinschgauer Sonnenberg gebracht zu werden. Natürlich wird die glückliche Heimkehr von Mensch und Tier gefeiert.